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Prioritäre Forschungsaufgaben
12.04.2000  
3 3. PRIORITÄRE FORSCHUNGSAUFGABEN

3.1 Problemorientierte Auswertung vorhandener Untersuchungsergebnisse

Das vorhandene Wissen über Methoden und Konzepte für eine dauerhaft-umweltgerechte Landnutzung ist aufzuarbeiten:

  • Daten zur Bewertung des hydrologischen, stofflichen, strukturellen und biozönotischen sowie sozialen und wirtschaftlichen Ist-Zustandes sind auszuwerten und Defizite aufzuzeigen.
  • Auswahl geeigneter Simulationsmodelle, z.B. zur Prognose der Auswirkungen von Nutzungsänderungen auf den Wasser- und Stoffhaushalt.
  • Behördliche Programme zur umweltverträglichen Landnutzung, auch anderer Regionen, sind hinsichtlich der ökologischen und sozio-ökonomischen Zielstellungen, Effizienz und Möglichkeiten der Erfolgskontrolle vergleichend auszuwerten.
3.2 Klassifizierung des Einzugsgebietes

Die flächendeckende Umsetzung von Maßnahmen im Einzugsgebiet und die Entwicklung von Management-Konzepten ist nur möglich, wenn die Heterogenität der natürlichen und wirtschaftlichen Standortfaktoren berücksichtigt wird. Aufbauend auf vorhandenem Wissen ist hierzu das gesamte Einzugsgebiet mit seinen Fließgewässern in geeigneter Weise nach naturräumlichen und sozio-ökonomischen Kriterien in überschaubare Geltungsbereiche einzuteilen. Die in Länderbehörden oder Forschungsinstitutionen bereits vorliegenden Klassifizierungen von Teilgebieten (z.B. auf der Basis von Naturräumen, Biotoptypen, Bodennutzungssystemen, Landschaftseinheiten oder Stoffkatastern) sind aufzugreifen und zu einer einheitlichen Klassifizierung des Gesamteinzugsgebietes zu erweitern. In diesem Zusammenhang wird auf die umfangreichen Vorarbeiten im Rahmen der Studie von TIMM et al. (1995) zur "Typologie der Fließgewässer des Elbe-Einzugsgebietes" hingewiesen.

Ein erster Überblick über naturräumliche Daten und die Datenverarbeitungssituation im Elbe-Einzugsgebiet wird bis Ende 1995 vom Projektzentrum Ökosystemforschung der Universität Kiel erstellt. Auf dieser Grundlage und unter Einbeziehung weiterer Quellen sind zusätzliche Daten in diesem Bereich und zur Sozio-Ökonomie zu erheben.

Die Erreichbarkeit der im ökologischen Leitbild definierten Qualitätsziele sowie die flächendeckende Umsetzung der - in Entwicklungszielen gesellschaftlich abgestimmten - Nutzungsänderungen hängt u.a. von rechtlichen und sozio-ökonomischen Rahmenbedingungen, z.B. unterschiedlichen Ländergesetzgebungen, wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und demographischen Ausgangsbedingungen, ab. Deshalb müssen die naturräumlich bedingten Unterschiede mit regionalen und lokalen sozio-ökonomischen Rahmenbedingungen, vorzugsweise auf einer mesoskaligen Ebene, z.B. Teileinzugsgebiete, abgestimmt werden.

Forschungsbedarf besteht in diesem Zusammenhang hinsichtlich

  • der Definition der sozio-ökonomischen Kriterien zur räumlich Differenzierung des Einzugsgebietes (z.B. durchschnittliche Betriebsgröße, Bruttobodenproduktion, Produktions- und Faktoreinsatzmengen, Marktpreise, regionale Besonderheiten auf den Faktor- und Produktmärkten, etc.),
  • der Anwendung dieser Kriterien auf das Elbe-Einzugsgebiet,
  • der Verschneidung sozio-ökonomischer mit naturräumlichen Kriterien sowie der Ermittlung von Modellregionen oder Modellbetrieben für die wissenschaftliche Begleitung von Umsetzungsprojekten (vgl. Abschnitt 3.4)
Die mit der Klassifizierung erreichte Ausweisung abgrenzbarer Wirtschafts- sowie naturräumlicher Landschaftseinheiten soll u.a. Grundlage für die Leitbildentwicklung sowie für die Auswahl repräsentativer, naturraumtypischer Modellregionen zur Umsetzung von leitbildkonformen Maßnahmen darstellen.

3.3 Entwicklung ökologischer Leitbilder

Die Leitbilder sind gemäß der im Rahmenkonzept im Abschnitt 3.1 aufgezeigten Vorgehensweise zu entwickeln. Die erforderlichen Parameter und Indikatoren sollen relevante morphologische, hydrologische, stoffliche sowie faunistische und vegetationskundliche Faktoren berücksichtigen. Im Hinblick auf eine Vergleichbarkeit und Aggregierbarkeit von Untersuchungsergebnissen sind diese nach Möglichkeit zwischen den elbeanrainenden Ländern abzustimmen:

Hierzu ist es notwendig,

  • über geeignete Parameter und Indikatoren für die klassifizierten Räume ökologische Referenzzustände, z.B. hinsichtlich der Stoffbelastung im naturnahen Zustand, festzulegen.
  • Darauf aufbauend sind die ökologischen Ist-Zustände naturraumspezifisch zu bewerten und Regionen mit ökologischen Defiziten, z.B. hohen Stoffausträgen, auszuweisen.
  • Für die unterschiedlichen Naturräume sind ökologische Leitbilder, d.h. die unter den heutigen Bedingungen maximal erreichbare Annäherung an den naturnahen Zustand (z.B. bzgl. des Stoffaustrags) zu erarbeiten. Hierzu werden für konkrete Räume tabellarisch oder kartographisch darstellbare Zielgrößen, z.B. zum Wasser- und Stoffhaushalt, erwartet.
  • Für die unterschiedlichen Naturräume sind Varianten möglicher Landnutzungsformen auszuweisen, die an der Tragekapazität der Landschaft ausgerichtet sind und somit eine dauerhaft-umweltgerechte Entwicklung gewährleisten. Hierbei sollen künftige Nutzungen auf die Regeneration der natürlichen Funktionen der Landschaft (Wasserhaushalts-, Akkumulations-, Retentions-, Produktions- und Lebensraumfunktion) und den davon abhängigen Funktionen für den wirtschaftenden Menschen (Erholungs- und sozio-ökonomische Funktion) abzielen.
3.4 Forschung in Modellprojekten

Der wesentliche Teil der Forschungsaufgaben im vorliegenden Teilkonzept ist die wissenschaftliche Begleitung konkreter Umsetzungen von Maßnahmenvorschlägen einer umweltverträglichen und den sozio-ökonomischen Ansprüchen gerecht werdenden Landnutzung. Die Konzepte sind in unterschiedlichen Natur- und Wirtschaftsräumen zu erproben und weiterzuentwickeln. Die Untersuchungen sind so zu dokumentieren, daß eine Erfolgskontrolle möglich ist und die Projekte als Referenzbeispiele dienen können. Modellprojekte, die sich im Verlauf der Umsetzung in die oben dargestellte Klassifikation eingliedern lassen, können bereits kurzfristig gefördert werden. Mit dieser Vorgehensweise wird dem Vorschlag des UNESCO-Programms "Man and the Biosphere, MAB" gefolgt, das zum Ziel hat: "Modelle für eine am Prinzip der Nachhaltigkeit orientierte sorgsame Bewirtschaftung der Biosphäre zu konzipieren und diese in repräsentativen Landschaften beispielgebend zu entwickeln, zu erproben und umzusetzen."

Im Rahmen bestehender oder beabsichtigter Bund-/ Länderaktivitäten und in Zusammenarbeit mit den zuständigen Behörden sollen deshalb

  • Modellprojekte initiiert und wissenschaftlich konzipiert,
  • bestehende zielkonforme Umsetzungsvorhaben wissenschaftlich begleitet und
  • der ökologische Erfolg und die sozio-ökonomischen Auswirkungen durchgeführter
  • Maßnahmen beurteilt werden.
Zur Gewährleistung der Akzeptanz von Maßnahmen sind die direkt oder indirekt Beteiligten vor Ort (z.B. Landwirte, Verbände, Behörden, etc.) von Anfang an in die Projekte einzubeziehen. Fachübergreifend sind Untersuchungsziele, Arbeitshypothesen, Umsetzbarkeit der Forschungsergebnisse, Datengrundlagen und -erfordernisse, Zeitpläne, Auswertemethoden sowie Ergebniszusammenführung und -präsentation möglichst exakt zu definieren.

In den Modellprojekten sind vor allem nachstehende Folgen von Landnutzungsänderungen zu untersuchen, z.B. Auswirkungen auf

  • den Landschaftswasserhaushalt (z.B. Auswirkungen der Wiederherstellung natürlicher Retentionsstrukturen auf den Gebietsabfluß und den Wasserrückhalt im Hinblick auf Grundwasserneubildung, Stoffretention und Hochwasserschutz)
  • den Landschaftsstoffhaushalt (z.B. diffuse Stoffbelastung des Grundwassers und der Oberflächengewässer im Einzugsgebiet der Elbe).
  • die naturraumtypische Artenvielfalt.
  • die Einkommenssituation der Betroffenen. Zu entwickeln sind Konzepte für Einkommens-alternativen, z.B. in Form von Ausgleichszahlungen. Hierzu sind sogenannte "ökologische Gratisleistungen" zu analysieren sowie ökologisch und ökonomisch zu bewerten, als Grundlage für die Entwicklung eines Entlohnungssystems zur Honorierung "ökologischer Leistungen".
  • betriebs- und volkswirtschaftliche Faktoren. Gegenüber zu stellen sind ganzheitliche Kosten-Nutzen-Analysen unterschiedlicher Bewirtschaftungsvarianten (Öko-Audit).
Weiterhin werden Untersuchungen benötigt mit dem Ziel
  • Simulationsmodelle zur Prognose und Bewertung der Auswirkungen regionaler Land-nutzungsänderungen im Hinblick auf die ökologische und sozio-ökonomische Effizienz sowie Instrumente zur Erfolgskontrolle umweltpolitischer Maßnahmen anzuwenden und weiter zu entwickeln.
  • Auswirkungen der Umstrukturierungen im Braunkohlentagebau auf das überregionale Wasserdargebot und seine -beschaffenheit zu ermitteln.
Wird die Umsetzung von Maßnahmen in den Modellprojekten durch Defizite im Grundlagenwissen maßgeblich beeinträchtigt, können beispielsweise die folgenden Fragestellungen mitbearbeitet werden:
  • Quantifizierung der Stoffflüsse (Konzentrationen und Frachten) aus den verschiedenen Quellen bzw. Eintragspfaden zur Klärung der Diskrepanz zwischen Emissions- und Immissionsbetrachtung.
  • Analyse und Quantifizierung der Retentionsmechanismen wassergebundener Stoffflüsse in unterschiedlichen Kompartimenten (u.a. in der ungesättigten/gesättigten Bodenzone verschiedener Landschaftsräume) und des Stoffrückhalts in natürlichen Stoffsenken wie z.B Niedermooren.
  • Untersuchungen zum Weg-/ Zeitverhalten der Stoffausträge über die Boden-/ Grundwasser-passage in Abhängigkeit von hydrologischen Prozeßabläufen und ihre Modellierung.
  • Weiterentwicklung von Instrumentarien für den behördlichen Einsatz, z.B. zur mesoskaligen Simulation des Bodenwasserhaushaltes und der lateralen und vertikalen Stoffflüsse.
Wissensdefizite zum Stoffrückhalt in Fließgewässern und durchflossenen Seen stellen eine Schnittstelle zum Themenbereich "Stoffdynamik" im Teilkonzept "Ökologie der Fließgewässer" dar und werden dort als Forschungsaufgaben definiert.