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Situationen, Probleme und Wissensdefizite
12.04.2000  
2 2. SITUATION, PROBLEME UND WISSENSDEFIZITE

2.1 Ökologische Situation in der Stromlandschaft Elbe

2.1.1 Fließgewässer

Die Elbe ist mit einer Länge von ca. 1.100 km und einem Einzugsgebiet von ca. 148.000 km² eines der größten Flußsysteme Mitteleuropas und wird als Binnenwasserstraße genutzt. Der Flußlauf wird auf deutschem Gebiet insbesondere durch Strombaumaßnahmen (u.a. Buhnen, Kopf- und Sohlschwellen, Leit- und Deckwerke, Kolkverbau) sowie durch eine Staustufe bei Geesthacht geregelt und ist vergleichsweise wenig begradigt. Derzeit werden umfangreiche Sanierungsmaßnahmen an den z.T. verfallenen Flußbauwerken (z.B. Wiederherstellung der Buhnen) durchgeführt.

In der Tschechischen Republik ist die Elbe durch zahlreiche Staustufen und Strombaumaßnahmen geregelt und kanalisiert. In den deutschen und tschechischen Elbenebenflüssen, die z.T. ebenfalls von der Binnenschiffahrt genutzt werden (z.B. Moldau, Saale, Havel, Elbe) existieren zahlreiche Talsperren, Wehre und Staustufen (z.T. mit Wasserkraftanlagen) mit Auswirkungen auf die biologische Durchgängigkeit im Längsverlauf, die Wasserbeschaffenheit, den Geschiebe-, Schwebstoff- und Grundwasserhaushalt sowie die Wasserstandsdynamik.

Die natürliche Abflußdynamik wird insbesondere durch die Lage des Quellgebietes und der Nebenflüsse in Mittelgebirgen charakterisiert (Regen-Schnee-Typ); Hochwasser treten vorwiegend im Winter und Frühjahr auf. In Trockenjahren kommt es im Sommer und Herbst zu ausgeprägten Niedrigwasserperioden. Der transportierte Feststoff weist aufgrund der geologisch-hydraulischen Gegebenheiten innerhalb kurzer Abschnitte im Längs- und Querschnitt beträchtliche Diskontinuitäten und mittlere Korndurchmesser von 50 mm im Oberlauf bis etwa 0,3 mm im Staubereich Geesthacht auf. Ab Elbe-km 380 umfaßt das Korngrößenspektrum hauptsächlich Mittelsand. Aufgrund der großen Beweglichkeit dieser Korngrößen (der Fluß wird hier auch als "Sandstrom" bezeichnet) wird durch Sedimentationsvorgänge, Bank- und Transportkörperbildung ein vielgestaltiges Strombett mit stark reliefierten Vorländern (z.T. als Dünenfelder) ausgebildet. Das sich umlagernde Sediment befriedigt die unterschiedlichsten Habitatansprüche z.B. für Fische als Laich- bzw. Aufwuchsplätze. Durch Eisschur können morphologische Veränderungen (insbesondere Anlandungen und Abbrüche) in Uferrandbereichen hervorgerufen werden.

Bereits heute unterliegen große Elbabschnitte starken Erosionserscheinungen, z.T. wurden bis zu 2 m in 50 Jahren erodiert. Das Zusammenwirken unterschiedlicher Ursachen ist nur teilweise bekannt. Aufgrund der Tiefenerosion sinken die Wasserspiegellagen im Strom, die sich auf die Grundwasserstände in den Talauen und Mündungsbereichen der Nebenflüsse auswirken und damit die Lebens- und Entwicklungsbedingungen von Flora und Fauna beeinflussen. Auch die Folgewirkungen von Maßnahmen zur Stabilisierung der Elbesohle und damit des Wasserspiegels, wie z.B. Geschiebezugabe, sind nicht ausreichend bekannt.

Durch Deichbau ist ein Großteil der natürlichen Überschwemmungsbereiche aus dem Überflutungsregime der Elbe herausgenommen worden, um sie zu besiedeln oder landwirtschaftlich zu nutzen. Die vorhandenen Deiche, aber auch Stauanlagen und Flußregelungsbauwerke, greifen gravierend in die natürliche Abflußdynamik, d.h. insbesondere in die Wasserspiegellagenverhältnisse, die Interaktionen von Fluß und Aue sowie in den strömungsbedingten Feststofftransport der Elbe ein. Derzeit werden verstärkt Diskussionen zum ökologischen Hochwasserschutz durch Deichrückverlegungen geführt.

Bis vor kurzem galt die Elbe insbesondere aufgrund von ungenügend behandelten Abwassereinleitungen als einer der am stärksten verschmutzten Flüsse Europas. Die Umstrukturierungen in der Industrie und der Neu- oder Ausbau zahlreicher Abwasserbehandlungsanlagen haben zu einer deutlichen Reduzierung der punktuellen Schadstoffeinträge in das Elbesystem geführt. Mit der sich verbessernden Wasserqualität und den vielerorts günstigen ökomorphologischen Bedingungen fand eine relativ rasche Wiederbesiedlung des Stromes und der Stromsohle mit typischen Arten und Lebensgemeinschaften statt. Um die sich abzeichnende Verbesserung zu fördern, müssen wasserbauliche Maßnahmen auf die Veränderungen der abiotischen Strukturen und der mit diesen in Wechselwirkung stehenden Lebensgemeinschaften beurteilt werden. Für diesbezügliche Informationen wird auf die "Ökologische Studie zum Schutz und zur Gestaltung der Gewässerstrukturen und Uferrandregionen der Elbe" der IKSE von 1994 verwiesen.

Zielkonflikte werden durch Eigentumsverhältnisse und unterschiedliche Zuständigkeiten hervorgerufen. Die Elbe unterliegt als Bundeswasserstraße der Zuständigkeit des Bundesministeriums für Verkehr (BMV), das für die Sicherheit und Leichtigkeit der Schiffahrt einschließlich des Flußbaus und der Unterhaltung verantwortlich ist. Dagegen liegen die übrigen planungsrechtlichen, naturschutzfachlichen und wasserwirtschaftlichen Aufgaben in Länderhoheit. Übergeordnete ökologische und naturschutzrechtliche Belange fallen wiederum in Bundeszuständigkeit (Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, BMU).

2.1.2 Auen

Auen sind die natürlichen Überschwemmungsflächen einer Flußlandschaft, deren Entwicklung entscheidend durch die Überflutungsdynamik (Häufigkeit, Ausmaß, Dauer) geprägt wird. Trotz der Vielzahl vorhandener wasserbaulicher Eingriffe sind an der Elbe zahlreiche typische Stromtalbiotope, z.B. die größten zusammenhängenden Auenwälder Mitteleuropas, erhalten geblieben. Sie bilden einen einmaligen Lebensraum für eine typische und außerordentlich reichhaltige Flora und Fauna. Die Elbeauen haben eine überregionale Bedeutung als Rast-, Ruhe- und Durchzugsgebiet für viele Vogelarten.

An Abschnitten des Hauptstroms und an zahlreichen Nebenflüssen der Elbe sind die Auen aufgrund verschiedenster Nutzungsansprüche in ihrer natürlichen Filterfunktion, ihrer Senkenfunktion, ihrer Wasserhaushalts- bzw. Retentionsfunktion und ihrer Lebensraumfunktion für Pflanzen und Tiere beeinträchtigt worden. Ursachen sind Eingriffe wie z.B.:

· Deichbau mit der Folge eines Rückgangs natürlicher Überflutungsflächen von ursprünglich durchschnittlich 10 km auf heute 1 km Breite (z.B. im heutigen Regierungsbezirk Magdeburg auf 16% der ursprünglichen Überflutungsflächen),

· Wasserbaumaßnahmen mit der Folge einer Eintiefung des Flußbettes und damit einhergehendem Absinken der Grundwasserstände (im Extremfall Trockenfallen der Aue), der Reduzierung der natürlichen Wasserhaushaltsdynamik durch die Vergleichmäßigung der Wasserspiegellagen und einer Entkopplung der Wasserstandsdynamik von Fluß und Aue,

· Kiesabbau, der in den Elbeauen in erheblichem Umfang geplant ist, mit der Folge eines großflächigen Eingriffs in die Auendynamik, z.B. durch die Störung der Grundwasserverhältnisse und durch den Verlust an natürlichem Lebensraum,

· Schadstoffbelastung der Böden der Elbevorländer und des Grundwassers durch punktuelle und diffuse Einträge in Auen und Fließgewässer,

· Veränderungen des Wasser- und Stoffhaushaltes infolge nicht standortgerechter Nutzung der Auen durch intensive Landwirtschaft, insbesondere Ackerbau (Flächenerosion und damit verbundene direkte Stoffeinträge in die Oberflächengewässer) und

· weitere Nutzungsansprüche, wie z.B. als Siedlungsraum, als Erholungsraum und zur Trinkwassergewinnung.

Welche Auswirkungen -auch finanzieller Art- die Beeinträchtigung der natürlichen Funktionen der Auen haben, zeigen Erfahrungen beispielsweise vom Rhein (Renaturierungsaufwendungen z.B. im Rahmen des Integrierten Rheinprogramms; Folgekosten von Hochwasserschäden).

Für die Erhaltung bzw. Wiederherstellung der natürlichen Funktionen der Auen sind Konzepte notwendig, die eine ökologisch begründete und sozio-ökonomisch vertretbare Entwicklung ermöglichen. Die entsprechenden Rahmenbedingungen sind im Elberaum derzeit günstig, wegen der

· noch möglichen Einflußnahme auf die sich in der Planungsphase befindlichen wasserbaulichen Ausbau- und Unterhaltungsmaßnahmen,

· Diskussion um einen zukünftig ökologischen Hochwasserschutz (Deichrückverlegung/ -schlitzung, Retention im Einzugsgebiet),

· Flächenverfügbarkeit durch Programme, Richtlinien und Verordnungen der EU, des Bundes und der Länder (z.B. Flächenstillegungen bzw. -extensivierungen, Schutzgebietsausweisungen, Vertragsnaturschutz) sowie der

· hohen ökologischen Entwicklungspotentiale der Elbe-Auen.

2.1.3 Einzugsgebiet

Weite Teile des Einzugsgebiets der Elbe sind noch geprägt durch agrarstrukturelle Maßnahmen der DDR, die den Naturhaushalt der Landschaft z.T. erheblich beeinträchtigt haben. Ursachen hierfür waren z.B. die Vergrößerung von Betriebsflächen mit einhergehender Reduzierung von Landschaftsstrukturen, Förderung der Flächenerosion durch nicht standortgerechte Fruchtfolgen, flächenunabhängige Tierproduktion sowie Eingriffe in den Landschaftswasserhaushalt mit gravierenden Folgen für Niedermoorstandorte (Komplexmelioration). Die aktuelle Situation ist durch eine insgesamt extensivere Landnutzung gekennzeichnet, die durch Abkehr von der Höchstertrags-Landwirtschaft und umfangreiche Flächenstillegungen nach der Wiedervereinigung erreicht wurde.

Nach Reduzierung der punktuellen Einleitungen stehen die diffusen Stoffeinträge zunehmend im Vordergrund. Der diffuse Stickstoffeintrag aus dem Elbe-Einzugsgebiet betrug 1989 ca. 130.000 t/a und wird zu ca. 2/3 über die Grundwasserpassage eingetragen. Die diffusen Phosphoreinträge aus dem Elbe-Einzugsgebiet beliefen sich auf ca. 10.000 t/a, hierbei stellt die Bodenerosion den wichtigsten Eintragspfad dar. Der Anteil der Landwirtschaft an den diffusen Einträgen beträgt bei Stickstoff über 80% und bei Phosphor über 85%. Aktuelle Daten über Veränderungen der diffusen Stoffeintragssituation liegen z.Zt. nur für Teilgebiete vor.

Nach überschlägigen Schätzungen stammen ca. 12% der jährlichen Gesamtbelastung der Nordsee mit Stickstoff und Phosphor aus dem Elberaum. Die Verwirklichung der von der Bundesrepublik eingegangenen internationalen Verpflichtung (Nordseeschutzkonferenz) zu einer 50%igen Reduzierung der Nährstoffeinträge, ist nur durch eine kurzfristige Reduzierung der diffusen Stoffeinträge zu erreichen. Hierzu fehlen z.Zt. flächendeckend umsetzbare, ökonomisch vertretbare Managementkonzepte.

Als Modellregionen für die Entwicklung von Konzepten für umweltverträgliches und zukunftsorientiertes Wirtschaften im ländlichen Raum sind z.B. Biosphärenreservate besonders geeignet.

Die Flutung der Tagebaurestlöcher in den Braunkohlerevieren der Flußgebiete von Schwarzer Elster, Mulde, Saale und Spree/ Havel hat wesentlichen Einfluß auf den überregionalen Wasser- und Stoffhaushalt. Die Wasserführung der Elbe wird vor allem in Niedrigwasserzeiten durch fehlendes Sümpfungswasser und zurückgehaltenes Flutungs- und Grundwasser noch über mehrere Jahrzehnte merkbar beeinflußt werden.

Die Abflußbildung wird auch über den Landschaftswasserhaushalt durch Art und Intensität der Flächennutzungen im Einzugsgebiet beeinflußt, so daß durch die Schaffung bzw. den Erhalt von natürlichen Retentionsstrukturen einer Hochwasserverschärfung bereits im Einzugsgebiet entgegengewirkt werden kann. Vor dem Hintergrund der Erfahrungen vom Rhein sollten Fehler bei der zukünftigen Gestaltung und Entwicklung der Elbe-Region vermieden werden. Wissensdefizite bestehen hinsichtlich der Wirksamkeit von vorhandenen und neu zu schaffenden Retentionsstrukturen.

2.2 Sozio-ökonomische Situation in der Elbe-Region

Große Flüsse, wie die Elbe, erfüllen mit ihren Auen und ihrem Einzugsgebiet eine Vielzahl von sozio-ökonomischen Funktionen z.B. als Lebensraum für den Menschen (Siedlung, Arbeit, Erholung), als Ressource für verschiedenste Nutzungen (Trinkwasser, Landwirtschaft, Industrie, Tourismus) sowie als Träger der Verkehrsinfrastruktur (Straße, Schiene, Wasserstraße).

In großen Teilen des Einzugsgebiets der Elbe haben erhebliche wirtschaftliche Umstrukturierungen stattgefunden mit dem Ziel, ökonomische Disparitäten zwischen den alten und neuen Bundesländern abzubauen. Aufgrund des wirtschaftlichen Strukturwandels sind, mit unterschiedlichen sozio-ökonomischen und ökologischen Auswirkungen, zahlreiche Produktionsbereiche und Betriebe reduziert, stillgelegt oder umgestellt worden. Hierdurch werden auch die Rahmenbedingungen der zukünftigen Verkehrs-, Regional- und Siedlungsentwicklung beeinflußt.

Im Juli 1992 wurde der erste gesamtdeutsche Bundesverkehrswegeplan verabschiedet, der die "Verkehrsprojekte Deutsche Einheit" beinhaltet. Diese sollen vor allem eine Verbesserung der Standort- und Transportbedingungen für Handel und Wirtschaft bringen und sehen neben Baumaßnahmen für die Verkehrsträger Straße und Schiene ein Wasserstraßenprojekt (Projekt 17) zum Ausbau der West-Ost-Wasserstraße Hannover-Berlin mit einer geplanten wasserstandsunabhängigen Elbequerung bei Magdeburg vor.

Darüberhinaus sind an den Bundeswasserstraßen Elbe -von der Grenze zur Tschechischen Republik bis Geesthacht- sowie an Saale und Havel Strombau- und Ausbaumaßnahmen vorgesehen. Die Strombaumaßnahmen an der Elbe dienen vorrangig der Mittel- und Niedrigwasserregulierung zur Gewährleistung der Sicherheit und Leichtigkeit einer wettbewerbsfähigen Schifffahrt. In diesem Zusammenhang ist vorgesehen, die Abladetiefe begrenzende Engpäße an besonderen Streckenabschnitten, z.B. in Torgau und Magdeburg, zu beseitigen. Insgesamt wird für die Elbe (oberhalb Geesthacht bis Schmilka) ein Ausbauzustand mit einer Fahrrinnentiefe von ³ 1,6 m und eine Fahrrinnenbreite von ³ 50 m an mindestens 345 Tagen im Normaljahr angestrebt. Mit den geplanten Strombaumaßnahmen soll eine Verstetigung des Gefälles und eine Verbesserung der Wassertiefenverhältnisse für die Schiffahrt (Niedrigwasserproblematik) erreicht werden, die Auswirkungen auf die Sohlenerosion und die Lebensgemeinschaften haben. In diesem Zusammenhang werden daher auch Maßnahmen zur Stabilisierung des Flußbettes der Elbe erforderlich.

Im Einzugsgebiet der Elbe auf dem Gebiet der DDR (dies entspricht 73% der Fläche der neuen Bundesländer bzw. 54% des Gesamteinzugsgebietes der Elbe) ist die Umstrukturierung der Landwirtschaft weitgehend abgeschlossen. Die im Vergleich zu den alten Bundesländern hohe einzelbetriebliche Flächenausstattung ermöglicht günstige Voraussetzungen für die Extensivierungen und den standortorientierten Rückbau der Feldflächen. Ziel der Umstrukturierung der Landwirtschaft in den neuen Bundesländern ist es, den ländlichen Raum zu stabilisieren, eine vielfältig strukturierte, umweltgerechte und im internationalen Wettbewerb konkurrenzfähige Landwirtschaft zu entwickeln.

Die Naturschutzplanungen im Elbe-Raum, z.B. Schutzgebietsausweisungen (u.a. Erweiterung des Biosphärenreservats "Mittlere Elbe" und Gründung des Biosphärenreservats "Elbtalaue") bedingen in den betreffenden Regionen einen ökologischen Strukturwandel der Wirtschafts- und Nutzungsaktivitäten. Daraus resultierende ökonomische Risiken können nur unter der Voraussetzung, daß das Naturraumpotential ("intakte Landschaft") nicht beeinträchtigt wird, durch geeignete Konzepte, die die spezifischen Entwicklungspotentiale in den Schutzgebieten aufgreifen (z.B. Tourismus, ökologischer Landbau), ausgeglichen werden.

2.3 Wissensdefizite aus Sicht der Bundesländer im Elbe-Einzugsgebiet

Von den zuständigen Behörden der Bundesländer im Elbe-Einzugsgebiet wird in der Erarbeitung und Parametrisierung regionalspezifischer, ökologischer Leitbilder sowie in der (Weiter-) Entwicklung von praxistauglichen Verfahren für die Bewertung des Ist-Zustandes und zur Erfolgskontrolle durchgeführter Maßnahmen dringender Forschungsbedarf gesehen.

Priorität wird auch der Aufbereitung der vorhandenen Literatur und Daten eingeräumt. Überregionale Datenbanken und Geographische Informationssysteme werden als erforderliche Instrumentarien zur Erfassung, Analyse und Beurteilung des Einzugsgebietes angesehen.

Erkenntnisse bzw. Maßnahmenkonzepte, die in anderen Stromlandschaften erarbeitet wurden, sind hinsichtlich ihrer Übertragbarkeit auf die Elbe und ihr Einzugsgebiet zu prüfen. Die unterschiedlichen Forschungsprogramme auf Bundes- und Landesebene sowie der IKSE sollen soweit wie möglich in die angewandte ökologische Forschung des BMBF einbezogen werden. Um die Umsetzung der Forschungsergebnisse zu gewährleisten, müssen die Forschungsaktivitäten des Bundes eng mit den aktuellen Programmen und laufenden Planungen der Länder abgestimmt werden.

Als derzeit wichtigstes Problem des Elbestroms wird aus Sicht vieler Länder die Flußbettinstabilität vor allem die fortschreitende Tiefenerosion und deren mögliche Auswirkungen auf die Auen und das angrenzende Einzugsgebiet angesehen. In diesem Zusammenhang ist die Bedeutung der Nebenflüsse als Geschiebelieferanten zu klären. Folgewirkungen wasserbaulicher Maßnahmen werden diesbezüglich nicht genügend beachtet. Darüberhinaus werden Eingriffe in Flußsysteme nicht ausreichend hinsichtlich ökologischer Kriterien optimiert (z.B. Buhnensanierung, Ufersicherung, Querbauwerke (mit Wasserkraftnutzung)).

Es wird als kritisch angesehen, daß ganzheitliche, umsetzbare Gewässerschutzkonzepte fehlen. Ursache dafür ist die unzureichende Kenntnis der Wechselwirkungen zwischen den absinkenden Wasserspiegellagen im Strom, den daran gekoppelten Grundwasserständen sowie der Vegetation und Fauna in den Vorländern (Auen). Außerdem fehlen praxisnahe Konzepte für umweltgerechtes Flächenmanagement, wie

· extensive Landbewirtschaftung im Zusammenhang mit Auenrenaturierung,

· Umgang mit schadstoffbelasteten Überflutungsbereichen,

· Neubegründung von Auenwäldern,

· Einbindung von Altarmen,

· Umgang mit funktionslosen Deichen,

· Auswirkungen von Kiesabbau und

· Erholungsnutzung.

Dem ökologischen Hochwasserschutz, insbesondere der Rückgewinnung von Retentionsflächen, wird ein hoher Stellenwert beigemessen. An geeigneten Standorten sollen die hydraulischen, hydrologischen und ökologischen Folgewirkungen von Deichrückverlegungen oder Deichschlitzungen im Zusammenhang mit Möglichkeiten der Auenwaldwiederherstellung untersucht wer-den. Mögliche Folgewirkungen der Ausweitung von Retentionsflächen auf die Unterlieger sind hierbei zu berücksichtigen, so daß sich insbesondere beim Hochwasserschutz eine länderübergreifende Zusammenarbeit anbietet.

Für die Umsetzung einer nachhaltigen Landbewirtschaftung in den Auen und im Einzugsgebiet liegen die Probleme insbesondere in der Überwindung von -häufig ökonomisch begründeten- Hemmnissen und der mangelnden Akzeptanz durch die Öffentlichkeit. Der Wissensstand hinsichtlich standortgerechter, ökologisch und ökonomisch verträglicher Flächennutzungskonzepte wird als relativ hoch angesehen, so daß eine Umsetzung in Modellgebieten kurzfristig angestrebt wird. Ökologische und sozio-ökonomische Folgen großflächiger Extensivierungen sind zu beurteilen. Neben betriebswirtschaftlichen Auswirkungen werden auch volkswirtschaftliche Kosten-Nutzen-Analysen (Öko-Audit) der gegenwärtigen Nutzung gegenüber alternativen Nutzungsvarianten benötigt.