Leitbilder des Naturschutzes und deren Umsetzung mit der Landwirtschaft
Leitbilder des Naturschutzes und deren Umsetzung mit der
Landwirtschaft
Ziele, Instrumente und Kosten einer umweltschonenden und nachhaltigen Landwirtschaft im
niedersächsischen Elbetal
Dr. Thomas Horlitz, Dr. Johannes Prüter |
Einleitung|Beteiligte Institutionen|Methodik und Stand der Arbeiten|Ausblick|Literatur |
1 Einleitung
In diesem Projekt geht es am Beispiel des niedersächsischen Elbetals um die zentrale
Frage, mit welchen Konzepten Ziele von Landwirtschaft und Naturschutz in der gewachsenen
Kulturlandschsft bestmöglich in Einklang gebracht werden können. Untersuchungsgebiet ist
die untere Mittelelbe-Niederung mit einer Größe von etwa 54.000 ha, welches gleichzeitig
den niedersächsischen Teil des länderübergreifenden Biosphärenreservates
"Flußlandschaft Elbe" darstellt.
Es gilt zum einen mit unterschiedlichen wissenschaftlichen Ansätzen der Raumanalyse
nachvollziehbare fachliche Grundlagen einer Zielentwicklung im Naturschutz zu schaffen,
zum anderen sollen auf betriebs- wie regionalökonomischer Ebene Entwicklungsspielräume
einer naturschonenden und nachhaltigen Landwirtschaft beschrieben und berechnet werden.
So sollen im engen Zusammenwirken von Wissenschaft und Praxis für die Anwendung in der
Region geeignete Konzepte erarbeitet werden.
Im einzelnen geht es um folgende Zielsetzungen:
Erarbeitung regionaler Leitbilder mit Umweltqualitätszielen und -standards, die
möglichst konkret bestimmt werden. Sie beziehen sich auf Boden, Wasser, Flora, Vegetation
und Fauna und dienen dazu, definierte Kriterien für eine nachhaltige Nutzungsentwicklung
aufzuzeigen.
Erarbeitung modellhafter Konzepte für eine integrierte Entwicklung von Landwirtschaft und
Naturschutz zur Umsetzung definierter Entwicklungsziele sowohl für den gesamten Naturraum
als auch für ausgewählte, repräsentative Betriebe, bei der ökonomische Auswirkungen
integrativ betrachtet und Nutzungspotentiale berücksichtigt werden.
Anlage eines Datenpools für Nutzungsalternativen und Entwicklung fachlicher Grundlagen
für spezifische Förderinstrumente.
Erarbeiten von Marketingstrategien zu regionaler Vermarktung von landwirtschaftlichen
Erzeugnissen, die nach abgestimmten Umweltkriterien produziert werden.
Strategieentwicklung zu konstruktiven Problemlösungen zwischen Naturschutzansprüchen und
landwirtschaftlichen Nutzungszielen auf der Grundlage einer die Beteiligten von Beginn an
integrierenden Vorgehensweise.
In den ersten beiden Jahren der Projektlaufzeit standen Bestandserfassung, Bewertung und
Methodenentwicklung im Vordergrund der Arbeiten. Jetzt erfolgt die Anwendung und
Validierung der Methoden sowie die Szenarienentwicklung für verschiedene
Leitbildvarianten. |
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2 Beteiligte Institutionen
In diesem interdisziplinären Forschungsvorhaben arbeiten zehn Institutionrn mit den
Arbeitsfeldern Ökologie, Naturschutz, Ökonomie, Landwirtschaft, Marketing und
Landschaftsplanung zusammen.
Die Aufgaben verteilen sich auf die Projektpartner wie folgt:
- Alfred Toepfer Akademie für Naturschutz (NNA), Schneverdingen: Leitung und
Koordination, Datentransfer, Kontaktstelle für die Region, Öffentlichkeitsarbeit;
- Universität Bremen, Institut für Ökologie und Evolutionsbiologie: Biologische
Grundlagendaten, Arten- und Biotopschutz;
- Universität Lüneburg, Institut für Ökologie und Umweltchemie: Vegetationsaufnahmen
und -klassifikation, Entwicklungsmöglichkeiten;
- Universität Hannover, Institut für Landschaftspflege und Naturschutz:
Agrarstrukturanalyse, landwirtschaftliche Nutzungsmöglichkeiten, Förderinstrumente;
- Arbeitsgemeinschaft Umweltplanung (ARUM), Hannover: Wasser, Boden, Betriebsbefragungen,
Datenaufbereitung, betriebs- und regionalökonomische Analysen und Perspektiven;
- Universität Hannover, Institut für Gartenbauökonomie, Abteilung Marktlehre:
Vermarktungschancen- und -konzepte;
- Gesamthochschule Kassel, Fachgebiet Futterbau und Grünlandökologie, Witzenhausen:
Futterwertberechnungen und -prognosen, Verwertungsmöglichkeiten;
- Verband für Agrarforschung (VAFB), Jena: Anwendung der Methode "Kriterien
umweltverträgliche Landwirtschaft" und eines Betriebsplanungsinstruments;
- Landwirtschaftskammer Hannover (LWK): Betriebsökonomische Berechnnung von Szenarien,
Förder- und Anpassungsvarianten;
- Fachhochschule Suderburg Nordostniedersachsen (FHNON), Suderburg: Standortökologische
Untersuchungen zum Wasser- und Stoffhaushalt;
Die Bezirksregierung Lüneburg, die Landwirtschaftskammer Hannover und das Landesamt für
Ökologie, Hildesheim sind in das Projekt in eine koordinierende Steuerungsgruppe
eingebunden.
Mit Landwirten vor Ort gibt es eine kontinuierlich Zusammenarbeit zum einen in
Arbeitskreisen, in denen die Arbeit des Projektes und deren Ergebnisse diskutiert werden
sowie auch Kriterien für eine Regionalvermaktung erarbeitet werden. Außerdem erfolgt
eine intensive und ständige Zusammenarbeit mit den Betriebsleitern von sieben
Auswahlbetrieben.
Über das im Projektgebiet ansässige Projektbüro besteht eine intensiv frequentierte
Kontaktstelle für Landwirte, Bürger und Institutonen. Von hier aus werden
Veranstaltungen im Gebiet organisiert. |
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3 Methodik und Stand
der Arbeiten
3.1
Naturräumliche und agrarökonomische Gebietsanalyse
Im Vorhaben wird auf zwei verschiedenen Bearbeitungsebenen vorgegangen. Anhand eines
Parameterkatalogs wurde der ökologische und betriebs-/regionalökonomische Status quo
zunächst für den gesamten Untersuchungsraum (1:50.000) anhand vorhandener analoger und
digitaler Daten und zusätzlich gewonnener Informationen erhoben. Beispielhaft wurden
über 30 Betriebsleiter aus dem Untersuchungsgebiet intensiv zu Themen wie
Betriebsstruktur, Betriebsmitteleinsatz, Bewirtschaftungsverfahren, naturräumliche
Situation der Landwirtschaft im Elbetal sowie Interesse an Förderprojekten mit
Naturschutz und Regionalvermarktung befragt. Hieraus wurde wiederum sieben repräsentative
und an weiterer Zusammenarbeit interessierte landwirtschaftliche Betriebe ausgewählt, auf
denenen präzisiert auf Betriebebene (1:5.000) Daten erhoben und ausgewertet werden. Die
Betriebe decken sowohl agrarstrukturelle als auch naturräumliche, bodengeographische
hydrologische sowie floristische und faunistische Auswahlkriterien ab.
Auf Betriebsebene werden Aufnahmen zu Vegetationsstrukturen und Pflanzensoziologie, zu
ausgewählten indikatorisch bedeutsamen Tierarten, zu Bodennährstoff- und Wasserhaushalt
sowie zu Futterwerten von Grünlandaufwuchs durchgeführt. Für die Betriebsflächen wurde
ein Flächenkataster angelegt, welches Informationen zu Bewirtschaftung der Schläge und
Besonderheiten der Flächen (z.B. Wasserhaushalt) gibt. Darüber hinaus werden
Buchführungsabschlüsse aufgearbeitet und in ein Betriebsplanungsprogramm eingespeist, um
als Grundlage für die Ableitung realistischer Entwicklungsziele ökonomische Auswirkungen
von Leitbildern auf Betriebsebene darzustellen.
Parallel erfolgt für drei Betriebe eine Analyse nach KUL-Kriterien. Kriterien
umweltgerechte Landbewirtschaftunmg (KUL) ist ein Bewertungssystem, dass anhand von
Belastungsindikatoren die Umweltverträglichkeit eines Landwirtschaftsberiebes
quantifiziert und nach Toleranzgrenzenn beurteilt (Eckert et al. 1999). Diese Methode
wurde hauptsächlich auf Ackerbaustandorten in Ostdeutschland angewendet und wird in
diesem Vorhaben auf die Anwendungseignung auf Grünland dominierten Standorten geprüft.
Für zwei dieser nach KUL analysierten Betriebe wird ebenfalls eine Betriebsplanung auf
der Grundlage verschiedener naturschutzfachlicher Auflagen (Umweltqualitätsziele)
abgebildet.
Zur Erarbeitung von Marketingstrategien zu regionaler Vermarktung von landwirtschaftlichen
Erzeugnissen iwurde vorrangig Analysen zum Absatzpotential durchgeführt. Hierzu wurden
u.a. Befragungen bei Verbrauchern, Marktleitern und Großküchen sowohl in der Region als
auch in Hamburg durchgeführt. Ein Arbeitskreis mit Landwirten zur Erarbeitung von
Produktionskriterien und Markstrategien wurde gegründet.
Die Abb. 1 zeigt die verschiedenen Arbeitsebenen sowie eine exemplarische Auswahl der
Datenqualitäten auf der jeweiligen Ebene.
Bis auf einige Geländeerhebungen ist die Datenerfassung abgeschlossen. Die aufbereiteten
Ergebnisse fließen in die Leitbildentwicklung bei der Formulierung der
Umweltqualitätsziele ein.
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3.2 Leitbildentwicklung
In einer projektintegrierten Arbeitsgruppe wurden angepasste Methoden zur
Vorgehensweise bei der Leitbildentwicklung erarbeitet. Die Methodik ist detailliert in
Evers et al. (1998) beschrieben.
In diesem Vorhaben basiert die Leitbildentwicklung auf folgenden Grundpinzipien:
Leitbildentwicklung wird als Prozeß verstanden, an dem sich betroffene Interessengruppen
frühzeitig und kontinuierlich beteiligen können. Leitbilder werden als Summe regionaler
Umweltqualitätsziele (UQZ) definiert: Die Ausprägung der zugrunde liegenden Parameter
wird qualitativ und quantitativ beschrieben.
Die raumspezifische Konkretisierung erfolgt zunächst durch eine Bewertung des Status quo,
wobei die Bewertungskriterien aus den übergeordneten Vorgaben abgeleitet werden. Mit
Hilfe von "Hot-spot-Karten" für die verschiedenen Schutzgüter werden zentrale
Problembereiche und Planungsspielräume deutlich gemacht. Nachdem innerhalb des Vorhabens
die Rahmenbedingungen festgelegt werden, die als unveränderbar angesehen werden, lassen
sich anschließend unterschiedliche raumbezogene Leitbilder entwerfen.
Durch die differenzierte Darstellung gesetzlicher Vorgaben, Umweltqualitätsstandards,
Expertenempfehlungen etc., zusammengefasst als übergeordnete Leitinien bezeichnet, wird
die Herleitung von Leitbildern transparent gemacht. Grundlage für die Ableitung von
Szenarien auf den verschiedenen Maßstabsebenen bilden die drei Leitbildvarianten
"Naturnähe", "Diversität" und "Nachhaltige Landbewirtschaftung
zum Schutz von Wasser und Boden".
In Abb. 1 ist das Modell zur Erarbeitung von
Entwicklungszielen dargestellt und zeigt die Vorgehensweise in diesem Forschungsvorhaben.
Die Leitbilder sind untersetzt mit gebietsspezifischen Umweltqualitätszielen und
akzeptorbezogenen Umweltstandards. Die Gebietsspezifik besteht hierbei zum einen darin,
daß unter möglichen UQZ und UQS mit hohem Verbindlichkeitsgrad solche ausgewählt
werden, die relevant für das Untersuchungsgebiet sind; diese bilden einen verbindlichen
Sockel. Zum zweiten werden Experten-Vorschläge herangezogen, die für zusätzliche
Parameter bzw. weitergehende Anforderungen Empfehlungen enthalten. Zum dritten werden von
den Beteiligten des Forschungsvorhaben Vorschläge für UQZ / UQS zu Parametern
erarbeitet, für die entweder keine Vorgaben vorliegen oder diese nach Einschätzung der
Bearbeiter den gebietsspezifischen Anforderungen nicht genügen. Diese weitergehenden
Ziele bieten auch den Spielraum für Leitbildvarianten, d.h. im Leitbild "möglichst
hohe Naturnähe" werden für bestimmte Parameter andere UQZ/UQS aufgestellt als in
einem Leitbild "möglichst hohe Biodiversität".
Für die verschiedenen Leitbilder wurde ein Katalog regionaler Umweltqualitätsziele
formuliert denen entsprechende Maßnahmen zugeordet sind. Zur Operationalisierung der
UQZ-Entwicklung und Abwägung von Prioritäten wurden Entscheidungshilfematrizes
entworfen.
Im Hinblick auf die Erarbeitung von konkreten Entwicklungszielen und Konzepten für die
Region in Zusammenarbeit mit Landwirten und landwirtschaftlichen Institutionen können
Leitbilder Zielkonflikte zwischen den Einzelzielen (z.B. zu verschiedenen Schutzgütern)
zulassen, nachvollziehbar machen und damit Entscheidungsoptionen und Zielalternativen
darstellen. |
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4 Ausblick
Im letzten Drittel der Projektlaufzeit folgt nun die Darstellung von Szenarien auf
Betriebs- und Naturraumebene. Für die landwirtschaftlichen Auswahlbetriebe werden
ökonomischen Konsequenzen berechnet und Anpassungsvarianten, die auf die Naturraumebene
bzw. auf die Region übertragbar sein sollen, erarbeitet. Parallel erfolgen Marktanalysen
und die Evaluation potentieller neuer Absatzwege. Durch Abstimmung mit den Landnutzern
werden umsetzbare Entwicklungsziele formuliert. |
5 Literatur
- Dierking, H. (1992): Untere Mittelelbe-Niederung zwischen Quitzöbel und Sassendorf -
Naturschutzfachliche Rahmenkonzeption.- Gutachten im Auftrag des Niedersächsischen
Landesverwaltungsamtes: 1 - 60 + Kartenanhang
- Eckert, H., G. Breitschuh und D. Sauerbeck (1999): Krieterien umweltgerechte
Landbewirtschaftung (KUL) ein Verfahren zur ökologischen Bewertung von
Landwirtschaftsbetrieben. Agrarbiological Research, 52 (1) S. 57-76
- Fürst, et al. (1992): Umweltqualitätsziele für die ökologische Planung.
Umweltbundesamt, Texte 34/92
- Horlitz, Th. (1998): Naturschutzszenarien und Leitbilder Eine Grundlage für die
Zielbestimmung im Naturschutz. Naturschutz und Landschaftspflege 30: 327-330
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