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16.04.2002  
Leitbilder des Naturschutzes und deren Umsetzung mit der Landwirtschaft

Leitbilder des Naturschutzes und deren Umsetzung mit der Landwirtschaft

Ziele, Instrumente und Kosten einer umweltschonenden und nachhaltigen Landwirtschaft im niedersächsischen Elbetal
Dr. Thomas Horlitz, Dr. Johannes Prüter

 

Einleitung|Beteiligte Institutionen|Methodik und Stand der Arbeiten|Ausblick|Literatur

 

1 Einleitung

In diesem Projekt geht es am Beispiel des niedersächsischen Elbetals um die zentrale Frage, mit welchen Konzepten Ziele von Landwirtschaft und Naturschutz in der gewachsenen Kulturlandschsft bestmöglich in Einklang gebracht werden können. Untersuchungsgebiet ist die untere Mittelelbe-Niederung mit einer Größe von etwa 54.000 ha, welches gleichzeitig den niedersächsischen Teil des länderübergreifenden Biosphärenreservates "Flußlandschaft Elbe" darstellt.
Es gilt zum einen mit unterschiedlichen wissenschaftlichen Ansätzen der Raumanalyse nachvollziehbare fachliche Grundlagen einer Zielentwicklung im Naturschutz zu schaffen, zum anderen sollen auf betriebs- wie regionalökonomischer Ebene Entwicklungsspielräume einer naturschonenden und nachhaltigen Landwirtschaft beschrieben und berechnet werden.
So sollen im engen Zusammenwirken von Wissenschaft und Praxis für die Anwendung in der Region geeignete Konzepte erarbeitet werden.
Im einzelnen geht es um folgende Zielsetzungen:
Erarbeitung regionaler Leitbilder mit Umweltqualitätszielen und -standards, die möglichst konkret bestimmt werden. Sie beziehen sich auf Boden, Wasser, Flora, Vegetation und Fauna und dienen dazu, definierte Kriterien für eine nachhaltige Nutzungsentwicklung aufzuzeigen.
Erarbeitung modellhafter Konzepte für eine integrierte Entwicklung von Landwirtschaft und Naturschutz zur Umsetzung definierter Entwicklungsziele sowohl für den gesamten Naturraum als auch für ausgewählte, repräsentative Betriebe, bei der ökonomische Auswirkungen integrativ betrachtet und Nutzungspotentiale berücksichtigt werden.
Anlage eines Datenpools für Nutzungsalternativen und Entwicklung fachlicher Grundlagen für spezifische Förderinstrumente.
Erarbeiten von Marketingstrategien zu regionaler Vermarktung von landwirtschaftlichen Erzeugnissen, die nach abgestimmten Umweltkriterien produziert werden.
Strategieentwicklung zu konstruktiven Problemlösungen zwischen Naturschutzansprüchen und landwirtschaftlichen Nutzungszielen auf der Grundlage einer die Beteiligten von Beginn an integrierenden Vorgehensweise.
In den ersten beiden Jahren der Projektlaufzeit standen Bestandserfassung, Bewertung und Methodenentwicklung im Vordergrund der Arbeiten. Jetzt erfolgt die Anwendung und Validierung der Methoden sowie die Szenarienentwicklung für verschiedene Leitbildvarianten.

 

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2 Beteiligte Institutionen

In diesem interdisziplinären Forschungsvorhaben arbeiten zehn Institutionrn mit den Arbeitsfeldern Ökologie, Naturschutz, Ökonomie, Landwirtschaft, Marketing und Landschaftsplanung zusammen.
Die Aufgaben verteilen sich auf die Projektpartner wie folgt:

  • Alfred Toepfer Akademie für Naturschutz (NNA), Schneverdingen: Leitung und Koordination, Datentransfer, Kontaktstelle für die Region, Öffentlichkeitsarbeit;
  • Universität Bremen, Institut für Ökologie und Evolutionsbiologie: Biologische Grundlagendaten, Arten- und Biotopschutz;
  • Universität Lüneburg, Institut für Ökologie und Umweltchemie: Vegetationsaufnahmen und -klassifikation, Entwicklungsmöglichkeiten;
  • Universität Hannover, Institut für Landschaftspflege und Naturschutz: Agrarstrukturanalyse, landwirtschaftliche Nutzungsmöglichkeiten, Förderinstrumente;
  • Arbeitsgemeinschaft Umweltplanung (ARUM), Hannover: Wasser, Boden, Betriebsbefragungen, Datenaufbereitung, betriebs- und regionalökonomische Analysen und Perspektiven;
  • Universität Hannover, Institut für Gartenbauökonomie, Abteilung Marktlehre: Vermarktungschancen- und -konzepte;
  • Gesamthochschule Kassel, Fachgebiet Futterbau und Grünlandökologie, Witzenhausen: Futterwertberechnungen und -prognosen, Verwertungsmöglichkeiten;
  • Verband für Agrarforschung (VAFB), Jena: Anwendung der Methode "Kriterien umweltverträgliche Landwirtschaft" und eines Betriebsplanungsinstruments;
  • Landwirtschaftskammer Hannover (LWK): Betriebsökonomische Berechnnung von Szenarien, Förder- und Anpassungsvarianten;
  • Fachhochschule Suderburg Nordostniedersachsen (FHNON), Suderburg: Standortökologische Untersuchungen zum Wasser- und Stoffhaushalt;
    Die Bezirksregierung Lüneburg, die Landwirtschaftskammer Hannover und das Landesamt für Ökologie, Hildesheim sind in das Projekt in eine koordinierende Steuerungsgruppe eingebunden.

Mit Landwirten vor Ort gibt es eine kontinuierlich Zusammenarbeit zum einen in Arbeitskreisen, in denen die Arbeit des Projektes und deren Ergebnisse diskutiert werden sowie auch Kriterien für eine Regionalvermaktung erarbeitet werden. Außerdem erfolgt eine intensive und ständige Zusammenarbeit mit den Betriebsleitern von sieben Auswahlbetrieben.
Über das im Projektgebiet ansässige Projektbüro besteht eine intensiv frequentierte Kontaktstelle für Landwirte, Bürger und Institutonen. Von hier aus werden Veranstaltungen im Gebiet organisiert.

 

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3 Methodik und Stand der Arbeiten

3.1 Naturräumliche und agrarökonomische Gebietsanalyse

Im Vorhaben wird auf zwei verschiedenen Bearbeitungsebenen vorgegangen. Anhand eines Parameterkatalogs wurde der ökologische und betriebs-/regionalökonomische Status quo zunächst für den gesamten Untersuchungsraum (1:50.000) anhand vorhandener analoger und digitaler Daten und zusätzlich gewonnener Informationen erhoben. Beispielhaft wurden über 30 Betriebsleiter aus dem Untersuchungsgebiet intensiv zu Themen wie Betriebsstruktur, Betriebsmitteleinsatz, Bewirtschaftungsverfahren, naturräumliche Situation der Landwirtschaft im Elbetal sowie Interesse an Förderprojekten mit Naturschutz und Regionalvermarktung befragt. Hieraus wurde wiederum sieben repräsentative und an weiterer Zusammenarbeit interessierte landwirtschaftliche Betriebe ausgewählt, auf denenen präzisiert auf Betriebebene (1:5.000) Daten erhoben und ausgewertet werden. Die Betriebe decken sowohl agrarstrukturelle als auch naturräumliche, bodengeographische hydrologische sowie floristische und faunistische Auswahlkriterien ab.
Auf Betriebsebene werden Aufnahmen zu Vegetationsstrukturen und Pflanzensoziologie, zu ausgewählten indikatorisch bedeutsamen Tierarten, zu Bodennährstoff- und Wasserhaushalt sowie zu Futterwerten von Grünlandaufwuchs durchgeführt. Für die Betriebsflächen wurde ein Flächenkataster angelegt, welches Informationen zu Bewirtschaftung der Schläge und Besonderheiten der Flächen (z.B. Wasserhaushalt) gibt. Darüber hinaus werden Buchführungsabschlüsse aufgearbeitet und in ein Betriebsplanungsprogramm eingespeist, um als Grundlage für die Ableitung realistischer Entwicklungsziele ökonomische Auswirkungen von Leitbildern auf Betriebsebene darzustellen.
Parallel erfolgt für drei Betriebe eine Analyse nach KUL-Kriterien. Kriterien umweltgerechte Landbewirtschaftunmg (KUL) ist ein Bewertungssystem, dass anhand von Belastungsindikatoren die Umweltverträglichkeit eines Landwirtschaftsberiebes quantifiziert und nach Toleranzgrenzenn beurteilt (Eckert et al. 1999). Diese Methode wurde hauptsächlich auf Ackerbaustandorten in Ostdeutschland angewendet und wird in diesem Vorhaben auf die Anwendungseignung auf Grünland dominierten Standorten geprüft. Für zwei dieser nach KUL analysierten Betriebe wird ebenfalls eine Betriebsplanung auf der Grundlage verschiedener naturschutzfachlicher Auflagen (Umweltqualitätsziele) abgebildet.
Zur Erarbeitung von Marketingstrategien zu regionaler Vermarktung von landwirtschaftlichen Erzeugnissen iwurde vorrangig Analysen zum Absatzpotential durchgeführt. Hierzu wurden u.a. Befragungen bei Verbrauchern, Marktleitern und Großküchen sowohl in der Region als auch in Hamburg durchgeführt. Ein Arbeitskreis mit Landwirten zur Erarbeitung von Produktionskriterien und Markstrategien wurde gegründet.
Die Abb. 1 zeigt die verschiedenen Arbeitsebenen sowie eine exemplarische Auswahl der Datenqualitäten auf der jeweiligen Ebene.
Bis auf einige Geländeerhebungen ist die Datenerfassung abgeschlossen. Die aufbereiteten Ergebnisse fließen in die Leitbildentwicklung bei der Formulierung der Umweltqualitätsziele ein.

Abb. 1. Bearbeitungsebenen und Datenqualität

 

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3.2 Leitbildentwicklung

In einer projektintegrierten Arbeitsgruppe wurden angepasste Methoden zur Vorgehensweise bei der Leitbildentwicklung erarbeitet. Die Methodik ist detailliert in Evers et al. (1998) beschrieben.
In diesem Vorhaben basiert die Leitbildentwicklung auf folgenden Grundpinzipien:
Leitbildentwicklung wird als Prozeß verstanden, an dem sich betroffene Interessengruppen frühzeitig und kontinuierlich beteiligen können. Leitbilder werden als Summe regionaler Umweltqualitätsziele (UQZ) definiert: Die Ausprägung der zugrunde liegenden Parameter wird qualitativ und quantitativ beschrieben.
Die raumspezifische Konkretisierung erfolgt zunächst durch eine Bewertung des Status quo, wobei die Bewertungskriterien aus den übergeordneten Vorgaben abgeleitet werden. Mit Hilfe von "Hot-spot-Karten" für die verschiedenen Schutzgüter werden zentrale Problembereiche und Planungsspielräume deutlich gemacht. Nachdem innerhalb des Vorhabens die Rahmenbedingungen festgelegt werden, die als unveränderbar angesehen werden, lassen sich anschließend unterschiedliche raumbezogene Leitbilder entwerfen.
Durch die differenzierte Darstellung gesetzlicher Vorgaben, Umweltqualitätsstandards, Expertenempfehlungen etc., zusammengefasst als übergeordnete Leitinien bezeichnet, wird die Herleitung von Leitbildern transparent gemacht. Grundlage für die Ableitung von Szenarien auf den verschiedenen Maßstabsebenen bilden die drei Leitbildvarianten "Naturnähe", "Diversität" und "Nachhaltige Landbewirtschaftung zum Schutz von Wasser und Boden".
In Abb. 1 ist das Modell zur Erarbeitung von Entwicklungszielen dargestellt und zeigt die Vorgehensweise in diesem Forschungsvorhaben.
Die Leitbilder sind untersetzt mit gebietsspezifischen Umweltqualitätszielen und akzeptorbezogenen Umweltstandards. Die Gebietsspezifik besteht hierbei zum einen darin, daß unter möglichen UQZ und UQS mit hohem Verbindlichkeitsgrad solche ausgewählt werden, die relevant für das Untersuchungsgebiet sind; diese bilden einen verbindlichen Sockel. Zum zweiten werden Experten-Vorschläge herangezogen, die für zusätzliche Parameter bzw. weitergehende Anforderungen Empfehlungen enthalten. Zum dritten werden von den Beteiligten des Forschungsvorhaben Vorschläge für UQZ / UQS zu Parametern erarbeitet, für die entweder keine Vorgaben vorliegen oder diese nach Einschätzung der Bearbeiter den gebietsspezifischen Anforderungen nicht genügen. Diese weitergehenden Ziele bieten auch den Spielraum für Leitbildvarianten, d.h. im Leitbild "möglichst hohe Naturnähe" werden für bestimmte Parameter andere UQZ/UQS aufgestellt als in einem Leitbild "möglichst hohe Biodiversität".
Für die verschiedenen Leitbilder wurde ein Katalog regionaler Umweltqualitätsziele formuliert denen entsprechende Maßnahmen zugeordet sind. Zur Operationalisierung der UQZ-Entwicklung und Abwägung von Prioritäten wurden Entscheidungshilfematrizes entworfen.
Im Hinblick auf die Erarbeitung von konkreten Entwicklungszielen und Konzepten für die Region in Zusammenarbeit mit Landwirten und landwirtschaftlichen Institutionen können Leitbilder Zielkonflikte zwischen den Einzelzielen (z.B. zu verschiedenen Schutzgütern) zulassen, nachvollziehbar machen und damit Entscheidungsoptionen und Zielalternativen darstellen.

 

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4 Ausblick

Im letzten Drittel der Projektlaufzeit folgt nun die Darstellung von Szenarien auf Betriebs- und Naturraumebene. Für die landwirtschaftlichen Auswahlbetriebe werden ökonomischen Konsequenzen berechnet und Anpassungsvarianten, die auf die Naturraumebene bzw. auf die Region übertragbar sein sollen, erarbeitet. Parallel erfolgen Marktanalysen und die Evaluation potentieller neuer Absatzwege. Durch Abstimmung mit den Landnutzern werden umsetzbare Entwicklungsziele formuliert.

 

5 Literatur

  • Dierking, H. (1992): Untere Mittelelbe-Niederung zwischen Quitzöbel und Sassendorf - Naturschutzfachliche Rahmenkonzeption.- Gutachten im Auftrag des Niedersächsischen Landesverwaltungsamtes: 1 - 60 + Kartenanhang
  • Eckert, H., G. Breitschuh und D. Sauerbeck (1999): Krieterien umweltgerechte Landbewirtschaftung (KUL) – ein Verfahren zur ökologischen Bewertung von Landwirtschaftsbetrieben. Agrarbiological Research, 52 (1) S. 57-76
  • Fürst, et al. (1992): Umweltqualitätsziele für die ökologische Planung. Umweltbundesamt, Texte 34/92
  • Horlitz, Th. (1998): Naturschutzszenarien und Leitbilder – Eine Grundlage für die Zielbestimmung im Naturschutz. Naturschutz und Landschaftspflege 30: 327-330
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