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Untersuchung der Grundwasserdynamik in Flußauen
10.09.1998  
Untersuchung der Grundwasserdynamik in Flußauen
Untersuchung der Grundwasserdynamik in Flußauen
 
Dr.-Ing. Hector Montenegro, Dipl.-Ing. Tilman Holfelder
Institut für Wasserbau und Wasserwirtschaft
Technische Universität Darmstadt

 
  Einführung

    Im Bereich der Brandenburgischen Elbtalaue bei Lenzen werden derzeit Möglichkeiten zur Vergrößerung von Retentionsflächen und zur Wiederherstellung einer natürlichen Flußauenlandschaft untersucht. Zentraler Bestandteil dieser Maßnahmen ist eine Deichrückverlegung. Im Rahmen des "Elbe-Ökologie" Projektes, eines vom BMBF geförderten interdisziplinären Forschungsvorhabens, sollen Leitfragen über die Wechselbeziehungen zwischen den Standortfaktoren und der Entwicklung der Biozönose in den Auen exemplarisch untersucht werden. Die Vorhersage der zu erwartenden Veränderungen der Grundwasserdynamik, ein wesentlicher abiotischer Standortfaktor, stellen eine wichtige Referenz für die Untersuchungen und Bewertungen anderer Projektpartner dar. Die TU-Darmstadt soll hierbei mit Hilfe numerischer Grundwassermodelle die Folgen einer Deichrückverlegung auf die Grundwasserdynamik prognostizieren, insbesondere sind die zu erwartenden Veränderungen der Grundwasser- und Flurabstände sowie das Auftreten von Qualmwasserbereichen hinter der neuen Deichlinie zu untersuchen.
     

    Abb.1:    Lage des Untersuchungsgebietes
     

 Untersuchungsgebiet
    In der norddeutschen Tiefebene wird die Elbe zum breiten, wenig verbauten und nicht begradigten Strom. Charakteristisch für diesen Fluß ist das Sommerhochwasser. An der Elbe nennt man diese Ereignisse seit alten Zeiten "Johanni-Hochwasser". Andererseits sind die Winterhochwasser oftmals bescheidener als an anderen deutschen Strömen. In den Deichvorländern hinterläßt der alljährliche Hochwasserrhythmus des Elbstroms seine Spuren. Hier wechseln Sandbänke, Flutrinnen und Altarme ab. Durch das Wechselspiel von Ablagerung, Ausspülung, Austrocknung und Wiedervernässung entstand ein reich gegliedertes Mosaik aus Mulden, Senken, Flutrinnen, unterschiedlich stark verlandeten Altarmen und - durch nacheiszeitliche Aufwehungen - Binnendünen, wie die bei Klein Schmölen. Auf engstem Raum befinden sich in der Elbtalaue Pflanzen und Tiere, die völlig unter schiedliche Lebensbedingungen benötigen und beispielsweise an extreme Nässe oder an ausgesprochene Trockenheit angepaßt sind. Die Reste alter Auenwälder geben der Landschaft ihren besonderen Reiz .

    Abb. 2:    Bewohner der Elbtalauen

    Das eigentliche Untersuchungsgebietes erstreckt sich von Lenzen bis Wustrow, eingegrenzt von den Flüssen Elbe und Löcknitz. Das Gelände erweckt den Eindruck einer weitläufigen Ebene mit leichten Senken. Lediglich das kleine Wäldchen im Osten unterscheidet sich topographisch durch ein bewegtes Relief. Das Gebiet fällt generell von der Elbe zur Löcknitz sowie von Ost nach West hin ab. Im elbnahen Bereich liegen die Höhen bei 17 m NN, im Bereich des “Bösen Ort” etwa einen Meter höher, während an der Löcknitz Werte um 15,5 m NN gemessen werden (Flemming, 1997). Die nördlich und südlich angrenzenden Gebiete haben im Gegensatz dazu ein wesentlich stärker ausgeprägtes Relief mit aufgewehten Dünen und einer pleistozänen Hochfläche bis zu 45 m ü. NN. Die morphologisch einfache Oberflächengestalt verdeckt ein geologisch kompliziertes System von tief eingeschnittenen Gletscher- und Schmelzwasserrinnen.

     

     Abb. 3:    Blick auf den Deich

Fragestellungen und Arbeitshypothesen
    Die Auswertung der Flußwasserstände sowie eigene Messungen bestätigen eine ausgeprägte Grundwasserdynamik, die maßgeblich von der Interaktion mit der Elbe und der Löcknitz, sowie mit dem Grabensystem gesteuert wird. Eine Deichrückverlegung stellt einen bedeutsamen Eingriff in das hydraulische System dar und wird sich - je nach Ausführungsvariante - weitreichend auf den bestehenden Gebietswasserhaushalt auswirken. Um die Folgen dieser Maßnahme auf die Entwicklung von Biozönose und Landwirtschaft quantitativ bewerten zu können, sind Prognosen zur Veränderung der Grundwasserdynamik während zukünftiger Hoch- und Niedrigwasserperioden erforderlich. Hierbei wird von folgender Arbeitshypothese ausgegangen:

    Die Kenntnis der räumlichen und zeitlichen Verteilung der Überstauung nach Deichrückverlegung sowie der Wechselwirkungen zwischen Oberflächengewässer und Grundwasser sind Voraussetzung für Prognosen in Hinblick auf Veränderungen der derzeitigen standörtlichen Bedingungen der Auenbiozönose im Rückdeichungsgebiet. Die komplizierte hydraulische Interaktion zwischen Oberflächengewässer und Grundwasser kann nur auf Grundlage eines physikalisch basierten Modells untersucht werden.
     

    Abb. 4:    Löcknitz

Szenarien der Deichrückverlegung
    Hinsichtlich der Deichrückverlegung werden derzeit drei Szenarien diskutiert:

    Szenario 1: keine Rückdeichung; Extensivierung der landwirtschaftlichen Nutzung

    Szenario 2: kurzfristige Rückdeichung in mittlerer Variante (350 ha)

    Szenario 3: kurzfristige Rückdeichung in UTAG - Variante (670 ha)

    Bei Ausführung des Szenario 1 wird sich keine wesentliche Veränderung gegenüber dem jetzigen Zustand ergeben. Infolge der Extensivierung der landwirtschaftlichen Nutzung wird eventuell auch die Bewirtschaftung des Grabensystems eingeschränkt werden. Die sich hieraus ergebenden Veränderungen auf die Grundwasserdynamik sind lokal auf das Gebiet um die stillgelegten Gräben begrenzt. Auswirkungen auf die Qualmwasserentwicklung sind nicht zu erwarten.

    Die Szenarien 2 und 3 werfen prinzipiell ähnliche Fragestellungen auf, die zu diesem Zeitpunkt noch nicht einzeln diskutiert werden sollen. Am Beispiel von Szenario 3 sollen die zu erwartenden Veränderungen im folgenden veranschaulicht werden.
     

Veränderungen der Oberflächengestalt und der Abflußverhältnisse
    Durch die Lage der neuen Deichtrasse werden die Grabensysteme weitgehend vom Vorfluter Löcknitz abgeschnitten (Flemming, 1997). Hierfür muß, zumindest teilweise, eine Verbindung zur Elbe als neue Vorflut geschaffen werden. Ohne Entwässerung ist eine Bewirtschaftung der Flächen im zukünftigen Vordeichgebiet mit Landwirtschaftlichen Maschinen nur eingeschränkt möglich.
     

    Abb. 5:    Grabensystem

    Im Hinblick auf die hydraulische Wiederbelebung und die Renaturierung soll das neu gewonnene Vorland durchströmt werden und nicht nur als Polder dienen. Die Schaffung einer durchgehenden Flutrinne soll jedoch nicht erfolgen, um große Fließgeschwindigkeiten im Vorland zu verhindern. Dies soll dazu beitragen, auetypische Prozesse im neuen Deichvorland in Form von Sedimentumlagerungen, Sandtransport, spontanen Reliefveränderungen und den Eintrag von allochthonen Organismen zu reaktivieren. Aus diesem Grund wird eine Lösung angestrebt, bei der die potentiellen Materialentnahmestellen und vorhandenen Gräben im westlichen Teil des Projektgebietes so verbunden werden, daß eine Vorflut zur Elbe gewährleistet ist. Hierdurch muß auch die Entwässerung der vor dem neuen Deich entstehenden Mulden ermöglicht werden, da eine Vernässung des Deichfußes vermieden werden muß. Im Osten des Gebietes soll der Fährdamm an einzelnen Stellen abgetragen und durch Furten ersetzt werden, um eine bessere Einströmung zu gewährleisten.

    Die Bemessung des Einstrom- und Abflußbereiches muß von der BAW nach hydraulischen Gesichtspunkten erfolgen, wobei ein Einstrom von Oberstrom ab 1200m³/s Abfluß vorgesehen ist, von Unterstrom jedoch schon ab 900 m³/s erfolgen soll. (MQ=620 m³/s, MHQ=2130 m³/s) Hierdurch erfolgt eine Überflutung des Geländes zuerst von Unterstrom. Hinter der neuen Deichlinie sollten des weiteren Entwässerungsgräben gezogen werden, um die anfallenden Qualmwassermengen ableiten zu können. Ebenso ist es vorgesehen, hinter den Schlitzen im Altdeich Material zu entnehmen, um Sedimenttransporte sandiger Substrate durch Auskolkungsprozesse anzuregen.

     

    Abb. 6:    Landwirtschaftliche Nutzung im Untersuchungsgebiet
     

Auswirkungen auf die Grundwasserdynamik
    Die Grundwasserbeobachtung belegt eine ausgeprägte Grundwasserdynamik, die maßgeblich von der Interaktion mit Oberflächengewässern gesteuert wird. Wie bereits erwähnt, bedingt die Anlage von Flutrinnen Veränderungen der Topographie und letztlich der Mächtigkeit der Deckschichten. Hierdurch wird der hydraulische Kontakt zwischen Aquifer und neuem Deichvorland intensiviert. Insbesondere ist an den Materialentnahmestellen für den Deichneubau ein vollständiger Abtrag der Auelehmschicht zu erwarten. Dementsprechend werden Bereiche entstehen, in denen der Aquifer nicht mehr gespannt ist, so daß bei MW (keine Überflutung) die Dynamik einer im Grundwasser einlaufende Welle an diesen Stellen abgeschwächt wird. Diese Standorte wirken in diesem Fall entlastend und bei entsprechenden Gradienten kommt es zur Exfiltration.

    Bei Überflutung des neuen Deichvorlandes besteht über diese Flächen ein unmittelbarer Kontakt zum Aquifer. Der Elbwasserstand im Überflutungsraum wirkt, nach Abzug von Eintritts- und Reibungsverlusten, als hydraulisches Potential im Grundwasserleiter. Eine Hochwasserwelle kann nun im Gegensatz zur derzeitigen Situation wesentlich schneller und intensiver ins neue Deichvorland übertragen werden. Je nach Entwässerungsbedingungen und hydraulischem Anschluß können sich des weiteren ausgedehnte Mulden ausbilden, die nach Ablauf der Hochwasserwelle zu einer nachhaltigen Infiltration in den Grundwasserleiter beitragen.

    Bei der Errichtung des neuen Deiches ist von einer Unterbrechung des bestehenden Grabensystems auszugehen. Dieser Umstand wirft Fragen nach einer effektiven Ableitung des durch Niederschlag und Qualmwasser gespeisten Oberflächenabflusses im neuen Vordeichsland auf. Diese Fragen sind insbesondere für die Landwirtschaft von Bedeutung, da die Befahrbarkeit und die Bearbeitbarkeit des Oberbodens empfindlich vom Sättigungsgrad des Bodens abhängen.

    Die Auswirkungen, die durch das unterbrochene Grabensystem und die dadurch fehlende Bewässerung im Sommer verursacht werden, sind ebenfalls abzuschätzen. Infolge der fehlenden Bewässerung von der bei Gandow gestauten Löcknitz über das Grabensystem, kann bei Niedrigwasser der Grundwasserspiegel so weit abfallen, daß keine ausreichende Wasserversorgung der Pflanzen vom Grundwasser über den kapillaren Aufstieg gegeben ist.
     

Grundwassermeßnetz
    Nach Auswertung vorhandener hydrologischer Unterlagen und intensiver Ortsbegehung wurde in Abstimmung mit den Projektpartnern für das Untersuchungsgebiet ein Beobachtungsnetz von 12 Grundwassermeßstellen festgelegt. Hierbei soll eine flächenorientierte Beobachtung der Grundwasserdynamik bei möglichst unmittelbarer Erfassung der Grundwasserverhältnisse einzelner Untersuchungsstandorte erzielt werden. Eine ortsansässige Bohrfirma wurde mit der Errichtung von 12 Beobachtungspegeln mit PVC-Ausbaumaterialien von DN 50 = 2" auf einer Tiefe von ca. 5 m unter Geländeoberkante bei 1 m Filterstrecke (Kiesbelagfilter) beauftragt. Bei der Niederbringung der Beobachtungspegel wurden Schichtenverzeichnisse angelegt sowie Bodenproben gewonnen, aus denen die lokale Durchlässigkeit geschätzt werden kann (Siebanalysen, kf-Versuche, durchgeführt von der Arbeitsgruppe Bodenkunde, Universität Hamburg). Ferner wurden die Absenkung und der Pumpendurchfluß beim Klarpumpen als Maß für die Ergiebigkeit aufgezeichnet. Elf Meßstellen wurden mit automatischen Dataloggern zur Erfassung des Grundwasserstandes nach dem Einperlprinzip (Orphimedes, Fa. OTT) bestückt, die eine hochaufgelöste Erfassung der Grundwasserdynamik erlauben.
     

    Abb. 7:    Grundwassermeßstelle

    Diese Meßstellen werden ca. alle 2 Monate ausgelesen und regelmäßig mit einem Lichtlot überprüft. Des weiteren liegen von anderen Projektpartner weitere Grundwasserbeobachtungsstellen vor (z.B. Untersuchungsfläche Drei-Felder-Wirtschaft, Humbold Universität Berlin; Intensivstandort Bodenfeuchtedynamik, Institut für Bodenkunde Hamburg) die in unregelmäßigem Rythmus mit einem Lichtlot beprobt werden.
     

Auswahl des Modells
    In den Flußauen des Untersuchungsgebietes besteht über die gut durchlässigen Sande und Kiessande an der Flußsohle ein enger hydraulischer Kontakt zwischen Oberflächenwasser und Grundwasser. Somit sind Grundwasserstand und Grundwassergefälle unmittelbar vom Flußwasserstand abhängig. Charakteristisch für diese Talaquifersysteme ist ferner die Auelehmdecke, die auf den gut durchlässigen Talfüllungen aufliegt.
     
     
    Abb. 8: Vertikalschnitt durch einen Talaquifer
     
    In einem derart geschichteten Grundwasserleiter kann es je nach Grundwasserstand und Randbedingungen zu Übergängen von gespannten zu ungespannten Zuständen kommen. Im gespannten Zustand können sich Druckwellen im Grundwasser vergleichsweise rasch ausbreiten, da eine Dämpfung infolge Auffüllung der ungesättigten Bodenzone nicht mehr gegeben ist. Die Erfassung dieser Übergänge ist vor allem bei der Interpretation von flußnahen Grundwassermeßstellen bedeutsam. Odenwald (1994) legte ein Finite-Elemente Modell zur Berechnung horizontal-ebener, instationärer Grundwasserströmungen vor, mit dem sich der Übergang gespannt-ungespannt adäquat beschreiben läßt. Mit diesem Instrumentarium soll die Grundwasserdynamik in einem Talauenaquifer untersucht werden.
     
Numerische Modellierung
    Mit dem Grundwassermodell werden für diskrete Punkte (Netzknoten) verschiedene Zustandsvariablen (z.B. Grundwasserstände, Flurabstände, Leakageraten, Fließgeschwindigkeiten usw.) berechnet. Ergebnisse der Simulationen sind Isolinienpläne für unterschiedliche Zustände der Grundwasserstände oder Zeitreihen einer Zustandsvariablen an vorgegebenen Orten (z.B. Ganglinien der Grundwasserstände).
     
     
    Abb. 9:    Finite-Elemente Netz des Untersuchungsgebietes

     

Parameterbestimmung
    Eingang in die numerische Modellierung finden Informationen über die Topographie, Hydrogeologie und Hydrologie, welche teilweise in einem GIS bereitgestellt werden. Zur Bestimmung der Modellparameter wurden Pumpversuche ausgewertet und 12 Grundwassermeßstellen im Untersuchungsgebiet installiert und mit Datensammlern ausgestattet. Des weiteren wurden die erforderlichen Wasserstände der Vorfluter Elbe und Löcknitz, sowie des Grabensystems gesammelt und ausgewertet. Derzeit erfolgt die Kalibrierung und Validierung des Modells anhand der erhobenen Daten. Hierbei werden Verfahren zur inversen Identifikation der Modellparameter (Durchlässigkeits-, Speicher- und Leakagekoeffizienten) eingesetzt. Aufgrund der nicht-linearen Beziehung zwischen Modellparametern und beobachteten Standrohrspiegelhöhen wird zur Lösung dieses Optimierungsproblems ein iteratives, auf der Gauß-Newton-Methode basierendes Verfahren eingesetzt. Im Verlauf der inversen Parameteridentifizierung läßt sich als Maß für die Unsicherheit der ermittelten Parameter eine Approximation der Kovarianzmatrix der Schätzfehler bestimmen. Hierdurch läßt sich die Sensitivität der beobachteten Standrohrspiegelhöhen hinsichtlich einzelner Parameter und letztlich deren Identifizierbarkeit beurteilen.
     
Validierung und Bewertung der Prognosefähigkeit
    Jede Modellierung eines natürlichen Systems beinhaltet eine Reihe von Unsicherheiten. Zum einen sind die in die Berechnung eingehenden Naturmessungen fehlerhaft, zum anderen stellt das Modell aufgrund der beschriebenen vereinfachten Annahmen und Approximationen nur eine Näherung der Natur dar (Montenegro, 1995). Es ist sehr wohl möglich mit sehr gut geeichten Modellen sehr mangelhafte Prognosen zu berechnen (Kinzelbach, 1995). Dies tritt vor allem auf, wenn der Prognosefall im Vergleich zum Kalibrierungsszenario sehr unterschiedliche hydraulische Bedingungen beinhaltet. In diesem strengen Sinne kann ein Modell nicht validiert werden.

    Häufig wird die Anwendung eines geeichten Modells auf einen gemessenen Zustand, der nicht zur Kalibrierung diente, als Modellvalidierung bezeichnet (Kinzelbach, 1995). Hierbei ist anzustreben, möglichst unterschiedliche hydrologische Randbedingungen realitätsnah nachzuvollziehen, ohne Modifizierung der bei der Kalibrierung bestimmten Aquiferparameter. In diesem Kontext ist eine Quantifizierung der Parameterunsicherheit und deren Auswirkung auf die Prognosefähigkeit von grundsätzlichem Interesse.

    Obwohl ein Modell aufgrund der inhärenten Unsicherheiten kaum den Anspruch erfüllen kann, die Wirklichkeit exakt abzubilden, bestehen unterschiedliche Strategien um mit Hilfe von Prognoserechnungen Handlungsalternativen einer Deichrückverlegung zu untersuchen und zu bewerten. Hierbei wird man versuchen, verschiedene, von den Parameterwerten her in sich konsistente Szenarien zu entwerfen, um die obere und untere Schranke des tatsächlichen Geschehens abzuschätzen. Beispielsweise werden mit dem geeichten Grundwassermodell charakteristische Abflußsituationen (Niedrigwasser, Mittelwasser und Hochwasser) sowie deren Übergänge simuliert. Nach einer Überprüfung der Ergebnisse auf ihre Plausibilität hin werden die Parameter/Randbedingungen, die mit Unsicherheiten behaftet sind, innerhalb hydrogeologisch sinnvoller Grenzen variiert und eine erneute Modellberechnung durchgeführt. Anschließend sind die Auswirkungen der Parametervariation auf das Berechnungsergebnis zu bewerten und zu entscheiden, ob die Unschärfe in der Prognoseberechnung akzeptabel ist (Kinzelbach, 1995).

    Ob die Meßphase während der bewilligten Projektlaufzeit von nur zwei Jahren ausreicht, um einerseits für eine Modellkalibrierung  geeignete hydraulische Bedingungen (möglichst große Dynamik) zu erfassen und andererseits weitere Beobachtungszeiträume zur Überprüfung der Prognosefähigkeit aufzuzeichnen, bleibt abzuwarten.
     

Zusammenarbeit mit anderen Projekten
    Das Projektübergreifende Ziel fundierter Prognosen zur Auenregeneration und Auwaldentwicklung nach einer Deichrückverlegung kann nur interdisziplinär erfolgen. So sind neben den hydraulischen Verhältnissen vor allem die zu erwartenden Wechselwirkungen im Hinblick auf die physikalisch-chemischen Bodeneigenschaften, die aktuellen Vegetation, die Nutzungsgeschichte, die Verbreitung und Aktivität tierischer Schlüsselorganismen u.v.m. von den beteiligten Projektpartnern im Detail zu untersuchen. Die Zusammenarbeit mit den Projektpartnern wird infolge der Interdependenz einzelner Teilergebnisse deutlich zunehmen. Die Zusammenarbeit ist bislang von hoher Kooperationsbereitschaft geprägt.

    Das eingesetzte numerische Instrumentarium wurde zum Teil auf auenspezifische Bedingungen angepaßt (Übergang von gespannten zu ungespannten Verhältnissen, Berücksichtigung von In- und Exfiltration, Schnittstelle zum hydrodynamischen Modell im Überflutungsfall). Aus diesem Grunde besteht großes Interesse zu einem Methodenvergleich mit anderen Grundwasserprojekten im Rahmen des "Elbe-Ökologie" Forschungsverbundes.
     

Ausblick
    Im Rahmen der Deichrückverlegung soll ein Teil des erforderlichen Baumaterials im Untersuchungsgebiet entnommen werden, wobei dadurch gezielt Flutrinnen gestaltet werden. In diesen Bereichen wird die Auelehmdecke aufgebrochen, und dadurch ein sehr guter hydraulischer Kontakt des Überflutungsraumes zum Aquifer hergestellt. Zur Prognose der zukünftig entstehenden Situation ist dementsprechend die Interaktion zwischen Grundwasser und überflutetes Vorland während eines Hochwasserereignisses adäquat abzubilden.
Literatur Flemming, A., 1997. Die Bedeutung des Gebietswasserhaushaltes im geplanten Rückdeichungsgebiet Lenzen (Elbe). Diplomarbeit am FB Geographie der Universität Hamburg (unveröffentlicht)

Holfelder, T., 1997. Einsatz und Bewertung eines inversen Verfahrens zur Modellierung der  Grundwasserdynamik in Flußauen. Vertieferarbeit am Institut für Wasserbau der Technischen Universität Darmstadt (unveröffentlicht).

Kinzelbach, W., Rausch, W., 1995. Grundwassermodellierung. Gebrüder Berlin - Stuttgart:  Bornträger. ISBN 3-443-01032-6.

Montenegro H., 1995. Parameterbestimmung und Modellierung der Wasserbewegung in heterogenen Böden. Dissertation. Institut für Hydromechanik der Universität Karlsruhe (TH). Fortschritt-Berichte VDI Reihe 15, Nr. 134. VDI-Verlag, Düsseldorf.

Montenegro H., Holfelder T. , 1998. Untersuchung der Auswirkungen wasserbaulicher Eingriffe auf die Grundwasserdynamik in Flußauen. Tätigkeitsbericht an die LAGS (unveröffentlicht).

Odenwald, B., 1994. Parameteridentifizierung bei numerische Grundwasserströmungsmodellen. Dissertation. Institut für Hydromechanik der Universität Karlsruhe (TH). Fortschritt-Berichte  VDI Reihe 15, Nr. 125. VDI-Verlag Düsseldorf.
 

Danksagung Für die Unterstützung bei der Niederbringung der Grundwassermeßstellen danken wir Herrn Pester von der LWG, Lenzen. Ebenfalls möchten wir uns bei Herrn Schulz vom Wasser- und Bodenverband Lenzen für die wertvollen Hinweise bei der Erkundung des Projektgebietes bedanken.