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Strategien und Instrumente zur ökologischen Entwicklung
12.04.2000  
3 3. STRATEGIEN UND INSTRUMENTE ZUR ÖKOLOGISCHEN ENTWICKLUNG

Aufgrund der erforderlichen ganzheitlichen Betrachtungsweise ergeben sich vier eng miteinander vernetzte, übergeordnete Forschungsziele (vgl. Abschnitt 3.1 bis 3.4):

  • Entwicklung ökologischer Leitbilder als Zielvorgaben für eine dauerhaft-umweltgerechte (= nachhaltige) Entwicklung (Sustainable Development)
  • Ermittlung der Tragekapazität von Kultur-/ Naturlandschaften
  • Bereitstellung von Modellen zur Prognose von Eingriffsfolgen
  • Erarbeitung von Maßnahmenvorschlägen zur Verbesserung bzw. Stabilisierung der ökologischen und sozio-ökonomischen Bedingungen
3.1 Entwicklung ökologischer Leitbilder
Mit der leitbildorientierten Vorgehensweise, die auf den Erfahrungen insbesondere aus den abgeschlossenen sechs BMBF-Modellvorhaben zur Sanierung kleiner Fließgewässer aufbaut, soll erreicht werden, daß die Ergebnisse wissenschaftlicher Forschung in politische und behördliche Entscheidungen eingehen. Diese Vorgehensweise erleichtert die Strukturierung, Verknüpfung und Effizienzkontrolle interdisziplinärer Forschungsprojekte.

Im Rahmen der vorliegenden Forschungskonzeption sind ökologische Leitbilder in den folgenden Verfahrensablauf eingebunden:

1. Festlegung ökologischer Referenzzustände.
2. Bewertung ökologischer Ist-Zustände.
3. Definition ökologischer Leitbilder.
4. Umsetzung ökologisch und sozio-ökonomisch abgestimmter Entwicklungsziele.
5. Erfolgskontrolle umgesetzter Maßnahmen.

Aufgabe der Wissenschaft ist es in diesem Zusammenhang,

1. ökologische Referenzzustände zur Durchführung von Bewertungsverfahren durch Parameter und Indikatoren naturraumspezifisch festzulegen. Die Basis hierfür bildet der naturnahe Zustand, der z.B. über verbliebene naturnahe Referenzgebiete zu dokumentieren oder über historische Analysen zu (re-)konstruieren ist.
2. ökologische Ist-Zustände naturraumspezifisch zu analysieren, zu dokumentieren und anhand des entsprechenden Referenzzustandes zu bewerten. Die Auswahl und der Umfang der zu untersuchenden physikalischen, chemischen und biologischen Parameter sowie räumliche Abgrenzungen und inhaltliche Schwerpunktbildungen müssen den unterschiedlichen naturräumlichen und nutzungsbedingten Rahmenbedingungen gerecht werden. Die Bewertung des Ist-Zustandes ermöglicht die Darstellung ökologischer Defizite. Diese stellen die Grundlage für die Ableitung des Handlungsbedarfs dar.
3. ökologische Leitbilder naturraumspezifisch zu definieren. Diese Leitbilder stellen die unter den heutigen Gegebenheiten - d.h. unter Berücksichtigung irreparabler Entwicklungen in der Vergangenheit - noch maximal erreichbare Annäherung an den naturnahen Zustand dar. Zu ihrer Anwendung müssen - analog zu den Referenzzuständen - abiotische Parameter und biotische Indikatoren formuliert werden, die als Zielgrößen für die langfristige Ausrichtung zukünftiger Planungen und Maßnahmen geeignet sind.

Aufgabe der Behörden ist es in diesem Zusammenhang,

4. auf der Basis der ökologischen Leitbilder in einem gesellschaftspolitischen Abstimmungsprozeß Entwicklungsziele naturraumspezifisch festzulegen und entsprechenden Handlungsbedarf umzusetzen. Entwicklungsziele stellen somit die derzeitig gesellschaftlich kurzfristig umsetzbare Annäherung an das ökologische Leitbild (= langfristiges Planungsziel) dar. Sie berücksichtigen ökologische und sozio-ökonomische Rahmenbedingungen gleicher-maßen und unterliegen den jeweiligen gesellschaftlichen Veränderungen sowie dem wissen-schaftlichen Erkenntnisstand.

Aufgabe von Wissenschaft und Behörden ist es,

5. die umgesetzten Maßnahmen hinsichtlich ihres ökologischen Erfolges (über die oben erwähnten Parameter und Indikatoren) sowie ihrer sozio-ökonomischen Effizienz zu analysieren und zu bewerten (Erfolgskontrolle); darauf aufbauend sind die Maßnahmenkonzepte weiter zu entwickeln.

3.2 Ermittlung der Tragekapazität von Kultur-/ Naturlandschaften
Naturnahe Ökosysteme haben die Eigenschaft, auf Störungen bis zu einer bestimmten Grenze elastisch zu reagieren und in den ursprünglichen dynamischen Gleichgewichtszustand zurückzukehren. Diese Grenze gibt an, wie intensiv eine Störung sein darf, bevor es zu irreparablen Veränderungen im Naturhaushalt kommt. Der Bereich bis zu dieser Grenze wird als Tragekapazität von Ökosystemen bezeichnet und ist von deren Struktur und Dynamik abhängig.
Zum Begriff Tragekapazität heißt es im Umweltgutachten 1994: "Gefordert ist nach Auffassung des Umweltrates die Einbindung der Zivilisationssysteme in das sie tragende Netzwerk der Natur, und damit die dauerhafte Ausrichtung der sich fortschreitend entwickelnden Ökonomien an der Tragekapazität der ökologischen Systeme." [...] "Grundsätzlich gibt die Tragekapazität der natürlichen Umwelt die Grenze vor, die eine dauerhaft-umweltgerechte Entwicklung der Zivilisation nicht überschreiten darf".
Wissensdefizite bestehen hinsichtlich der Frage, welche Nutzungen mit der Tragekapazität des Elbe-Stroms und seiner Landschaft vereinbar sind. Die Ziele Nutzbarkeit und Naturnähe können nur dann erreicht werden, wenn es gelingt, sozio-ökonomische und ökologische Anforderungen an Raum, Aue und Fluß so auszubalancieren, daß die Tragekapazität der Ökosysteme nicht überfordert wird. Dementsprechend beinhaltet der Begriff Tragekapazität die Frage, ob die in den Entwicklungszielen festgelegten Qualitätsanforderungen genügen, um die im ökologischen Leitbild definierten Qualitätsziele langfristig zu gewährleisten.
Hinsichtlich der vom BMBF zu fördernden wissenschaftlichen Fragestellungen bedeutet das: Untersuchungen sollen, unter Verwendung der im ökologischen Leitbild zu definierenden Qualitätsziele, aufzeigen, in welchen Grenzen Nutzungen ökologisch vertretbar sind, um die noch vorhandenen natürlichen Existenzbedingungen zu erhalten oder zu entwickeln. Mit dem Begriff Tragekapazität soll eine sehr viel stärkere Verknüpfung naturwissenschaftlicher, soziologischer, rechtlicher und ökonomischer Fragestellungen als bisher herbeigeführt werden, um die ökologischen Zielvorgaben erfüllen zu können.

3.3 Bereitstellung von Modellen zur Prognose von Eingriffsfolgen
Viele kontroverse Diskussionen an der Elbe resultieren aus unterschiedlichen Einschätzungen der Konsequenzen wirtschaftlicher Entwicklungen auf ökologische Zusammenhänge, z.B. Wechselwirkungen zwischen Abfluß- und Morphodynamik des Flusses, Wasser- und Stoffhaushalt der Auen und ihrer Biozönosen.
Wesentliche Voraussetzung zur Verbesserung der Prognosefähigkeit ökologischer und ökonomischer Folgewirkungen geplanter Maßnahmen ist die Erweiterung des wissenschaftlichen Erkenntnisstandes über die kausalen und funktionalen Wirkungszusammenhänge in Ökosystemen. Zur Lösung anstehender Nutzungskonflikte soll der Praxis mit Ergebnissen aus "Was wäre wenn ...?-Szenarien" die notwendige Konsenzfindung im Entscheidungsprozeß erleichtert werden. Dazu gehören auch kleinmaßstäbliche Übersichtsmodelle und detaillierte Teilmodelle.

3.4 Erarbeitung von Maßnahmenvorschlägen
Eine wesentliche Zielstellung der Forschungskonzeption ist es, konkrete Handlungskonzepte für den Erhalt und die Verbesserung des ökologischen Zustandes der Gewässer, ihrer Auen und ihres Einzugsgebietes zu erarbeiten. Die Maßnahmenvorschläge sind nach ökologischen und sozio-ökonomischen Kriterien zu optimieren und sollen regionalspezifischen Entwicklungszielen (vgl. Abschnitt 3.1, Pkt. 5) entsprechen.